Interview: Bonhoeffer – Nachfolge

Christa, 15 février 2014

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Orelie: Guten Tag, Herr Dietrich Bonhoeffer. Ich heiße Sie herzlich willkommen zu diesem Gespräch und habe mehrere Fragen zu dem Ruf Jesu in die Nachfolge, den Sie in Ihrem Buch Nachfolge ausführlich erläutern. Zunächst möchte ich Sie nach dem Verhältnis zwischen dem Glaubenden und Jesus Christus fragen.

Dietrich Bonhoeffer: Wir müssen in die Situation des Glaubenkönnens hinein. Wir müssen den Schritt tun. Was heißt das? Es heißt, dass dieser Schritt nur recht geschieht, wenn wir ihn nicht im Blick auf unser Werk, das getan werden muss, sondern allein im Blick auf das Wort Jesu Christi hin tun, das uns dazu ruft.

Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2008, S.55

Orelie: Was hieß das für die Christen nach Hitlers Machtergreifung, also in einer Zeit, in der das nationalsozialistische Regime in Deutschland herrschte und seine Propaganda allgegenwärtig war? Ihr Buch Nachfolge wurde 1937 veröffentlicht.

Dietrich Bonhoeffer: Die Idee fordert Fanatiker, die keinen Widerstand kennen und achten. Die Idee ist stark. Das Wort Gottes aber ist so schwach, dass es sich von Menschen verachten und verwerfen lässt. Aber in dieser Schwäche sind die Zeugen des Wortes frei von der kranken Unruhe der Fanatiker, sie leiden ja mit dem Wort. Gerade als die schwachen Zeugen aber sind sie von denen, die nicht weichen, sondern die bleiben – freilich allein dort, wo das Wort ist.

Nachfolge, S.180-181

Orelie: Sie vergleichen die Zeugen des Wortes mit den Jüngern Jesu und nennen sie auch die Boten. Doch besitzt jeder Mensch die Wagnisfreiheit, ein von Jesus Gerufener zu werden. Wie geschieht das?

Dietrich Bonhoeffer Der von Jesus Gerufene lernt, dass er in seiner Beziehung zur Welt in einer Täuschung gelebt hat. Diese Täuschung heißt Unmittelbarkeit. Sie hat ihn am Glauben und am Gehorsam gehindert. Nun weiß er, dass er selbst in den engsten Bindungen seines Lebens, in der Bindung des Blutes an Vater und Mutter, an Kinder, Brüder und Schwestern, in der ehelichen Liebe, in den geschichtlichen Verantwortlichkeiten keine Unmittelbarkeit haben kann. Es gibt seit Jesus für seinen Jünger keine natürlichen, keine geschichtlichen, keine erlebnismäßigen Unmittelbarkeiten. Es gibt für uns keinen Weg zum Anderen mehr, als den Weg über Christus, über sein Wort und unsere Nachfolge.

Nachfolge, S.89-90

Orelie: Christus allein ist also der Mittler zwischen dem Gerufenen und der christlichen Gemeinde. Aber in den Gemeinden ging während der Nazizeit die Anzahl der Menschen, die die Boten hören wollten, drastisch zurück. Worin bestand die Aufgabe der Boten?

Dietrich Bonhoeffer: Die Verkündigung der Boten ist kurz und klar. Sie melden den Anbruch des Gottesreiches, sie rufen zur Umkehr und zum Glauben. Sie kommen in der Vollmacht des Jesus von Nazareth. Mit Furcht und Staunen müssen sie zugleich die Kraft und die Schwachheit des göttlichen Wortes erkennen. Weil aber die Jünger nichts gegen das Wort und über das Wort hinaus erzwingen können noch sollen, darum bleiben sie nur dort, wo das Wort Gottes bleibt.

Nachfolge, S.202-203

Orelie:: Mit der Predigt des Wort Gottes unterstützten die Boten die zur Bekennenden Kirche gehörenden Gemeinden, die jede Synthese zwischen dem Christentum und der nationalsozialistischen Rassenideologie ablehnten.

Dietrich Bonhoeffer: Der letzte Gedanke der Boten wird nicht auf den eigenen Weg, auf das eigene Leiden und auf den eigenen Lohn gerichtet sein, sondern auf das Ziel ihrer Arbeit, auf das Heil der Gemeinde.

Nachfolge, S.211

Orelie: Herr Bonhoeffer, ich danke Ihnen für dieses Gespräch

 

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